„Sei brav!
Wenn ich nicht brav bin, dann kommt der Weihnachtsmann nicht zu mir, sagt die Erzieherin.
Wenn ich nicht höre, dann ist mein Papa sauer. Ich soll hören, sagt er immer wieder.
Ich möchte nicht, dass er sauer auf mich ist. Er ist mein Papa und ich liebe ihn. Ich will, dass er mich auch liebt.
Ich bin brav, dann werde ich auch geliebt.
Aber warum war der Junge aus der anderen Gruppe heute so gemein zu mir? Er hat mich gekratzt. Ich war brav, aber das hat nichts gebracht.
Papa meinte Zuhause, ich soll mir nicht alles gefallen lassen – mich durchsetzen, aber ich verstehe das nicht.
Ich soll doch hören? Ich soll doch brav sein?“
Der schmale Grad zwischen: Grenzen setzen und dem „brav sein.“
Ja, selbstverständlich ist es sehr wichtig, Kindern einen Rahmen zu geben. Das bietet eine Struktur und gibt Sicherheit, die wir alle brauchen*.
ABER oftmals verfallen leider viele Erwachsene in die Rolle der Person, die im Vergleich zum Kind „bereits alles (besser) weiß und nicht mehr dazu lernen muss.“
Genau diese Perspektive führt dazu, dass Erwachsene, Kinder wie einen Roboter betrachten, welcher funktionieren muss. Im Sinne von: Tu das, was ich dir sage oder was ich gerade als Erwachsener möchte. Andererseits ist es auch gewünscht, dass die eigenen Kinder für sich einstehen, doch was ist, wenn sie nie gelernt haben, dass sie das dürfen und vor allem auch nie gelernt haben, wie es umgesetzt wird?
Kinder sind ebenso individuelle Menschen mit eigenen Bedürfnissen, welchen auf Augenhöhe begegnet werden darf. Wenn ein Kind die eigenen Grenzen kommunizieren soll, dann darf es lernen wahrzunehmen, was für ihn oder sie angenehm oder unangenehm ist und sich bewusst zu sein, genau das nach Außen zu tragen. Aber wenn es ausschließlich zu sagen bekommt, was es zu tun und zu lassen hat, woher soll das Kind dann in manchen Situationen wissen, was es selbst will und sich selbst erlauben, der eigenen Stimme auch mal Raum zu geben?
Wie immer dürfen diese Worte zum Nachdenken anregen.
Wir dürfen ein Miteinander schaffen und gleichzeitig das Wort „brav“ einmal aus unserem Wortschatz verabschieden.
Definieren wir das Wort „brav“, dann bedeutet es, sich so zu verhalten, wie es ein anderer von einem erwartet. Puh, weit weg von den eigenen Bedürfnissen und diese dürfen in aller erster Linie immer wahrgenommen werden, um nicht gegen sich selbst zu handeln, denn das macht alles andere als zufrieden.
Betrachten wir all das mit dem Blick auf die emotionale Gesundheit, dann kann die Erwartung an (d)ein Kind „brav“ sein zu müssen, folgende Konsequenzen in der Entwicklung haben:
- Unterdrücken der eigenen Emotionen
- Geringes bis fehlendes Selbstvertrauen
- Die Angst vor Fehlern sowie Ablehnung
- Herausforderungen eigene Grenzen zu spüren und zu kommunizieren
Begegne (d)einem Kind mit Respekt, auf Augenhöhe und der Offenheit für die Bedürfnisse eines anderen Menschen mit der Intention, immer wieder gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Dabei ist es selbstverständlich wichtig, dass es Grenzen gibt, doch gleichzeitig ist es auch immer wieder wichtig, die Grenzen des Kindes im Blick zu behalten.
Wie so oft ein feiner Balanceakt, der mal besser, mal schlechter funktioniert – auch Erwachsene sind keine Roboter.
Von Herzen,
Jessica Hoffmann
*Das Thema „Grenzen setzen“ möchte ich nochmal separat beleuchten, da es unfassbar wichtig ist.